Son of the Velvet Rat - Monkey Years (Best of 2020)

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Georg Altziebler: das erste Mal untergekommen ist mir der Name, als ich eine Platte der Band Pure Laine auf dem gravitätischen Thorens-Plattenteller des Studios RP4 im Funkhaus in der Wiener Argentinierstrasse placierte. Meine Augen streiften über die Angaben des Vinyl-Covers, wer hinter dieser Musik stecken mochte, die angeblich aus Graz kam und dennoch eher nach US-Bands wie Dream Syndicate oder Thin White Rope klang. Das muß gegen Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gewesen sein. Da der Name dieser mir bis dato unbekannten Band aber oft genug falsche Assoziationen weckte, etwa jene zu einem „pure lane“, dem rechten Pfad zur menschlichen, sprich: christlichen Tugend, verwarf Altziebler ihn alsbald wieder. Aber das sollte ich erst später erfahren. Da hatte ich längst mein Herz an das Nachfolgeprojekt Bloom 05 verloren. „Slow Star“ und „Lonesome Solar Surfer“, Dokumente des Werkens und Wirkens dieser Formation, erreichten mich in der Ferne. Zu Radiopräsenz und gesteigerter Aufmerksamkeit jenseits der Mur-Mürz-Furche konnte ich ihnen nicht verhelfen. Die Verlorenheit des Herzens blieb.


Dann gelangte auf verschlungenen Wegen ein erstes Lebenszeichen des Sohns der samtenen Ratte in meine Hände. Ich erinnere mich, „Are The Angels Pretty?“ auf einer mit zarter Handschrift markierten, selbstgebrannten CD auf einer staubigen Landstraße zwischen Retz und Hollabrunn initial gehört zu haben. Wieder und wieder. Die Luft flirrte ob der sommerlichen Hitze, aber darüber hinaus stieg etwas Unwirkliches, Ätherisches, letztlich eine sublime Botschaft, daß dieser Sänger und dieser Song mehr verdient hätten als die Aufmerksamkeit weniger Minuten. Sie hatten sie nicht nur verdient, sie hatten sie auch erreicht. Seit diesem Moment sind das Schicksal von Son of the Velvet Rat und jenes des Labels monkey. auf eine lose, aber auch bestimmte, feine, doch haltbare Weise miteinander verwoben.


Dazwischen war viel. Verdammt viel: Nashville, Tennessee. Berlin. Los Angeles. Die Zusammenarbeit mit Ken Coomer (Wilco), Richard Pappik (Element Of Crime), Kristof Hahn (Swans, Les Hommes Sauvage). Eine Begegnung mit Lucinda Williams, samt wechselseitiger Studio-Einladung. CD-Veröffentlichungen in Österreich, Deutschland, Schweiz, den USA und Korea. Eine Tour an der US-Westcoast. Eine Tour in Irland. Die Geburt eines Sohnes. Alltag, konterkariert von der Ohnmacht eines sterbenden Musikmarkts. Und der Allmacht eines Künstlers, dessen Vision sich nicht und nicht und nicht diesem Alltag ergeben will.

Anno 2010, zum fünfjährigen Bestehen des Affenstalls (respektive dessen Tonträgerabteilung), hielten wir es nicht für die schlechteste Idee, Zwischenbilanz zu ziehen. Das vorliegende Album – strikt limitiert auf 500 Exemplare – ist ein Geschenk an uns selbst. Aber auch an Georg Altziebler. Und Heike Binder. Natürlich die gesamte Band. Son of the Velvet Rat ist die Inkarnation eines Traums, das Personal des traumverlorenen Stücks kennt unterschiedliche Besetzungen, Phasen und Wechsel. Man muß aber nicht rätseln, wer unabdingbar ist auf der Bühne, die das Leben spiegelt. Altziebler und seine Mitstreiter(innen) haben es geschafft, in diesen fünf Jahren eines gemeinsamen Weges drei Alben und eine EP zu veröffentlichen – „Playground“ ( 2006), „Loss & Love“ (2007), „Gravity“ (2008) und „Animals“ (2009). Man darf das mit Fug’ und Recht als stringentes Oeuvre bezeichnen. „Monkey Years“ ist, nomen est omen, eine Art Best Of-Album geworden. Eine essentielle Sammlung. Eine Zusammenstellung von tönenden Kleinoden, die – allein ob ihrer annähernd chronologischen Aneinanderreihung und wechselseitigen Resonanz – ein ebenso schlichtes wie dezidiertes Urteil ermöglichen, ja förmlich erzwingen: Georg Altziebler schreibt Songs, die kein Ablaufdatum kennen. Keine Ausflüchte. Und keinen Staatsbürgerschaftsnachweis. Darüber hinausgehende Superlative stehen mir – ob klarer Befangenheit – nicht zu.


Es ist aber wohl zulässig, die eine oder andere Stimme von außerhalb zu zitieren. „Der beste Singer/Songwriter, den das Land hervorgebracht hat“ (Andreas Russ, „Kurier“). „Chansongewordene Trauermärsche mit paradiesischen Zwischentönen.“ (Gerhard Stöger, „Falter“) „There‘s some dark majesty at work here.“ (Suzie Q, Logo Magazine) „Feinst geschliffene Lieder, die an der Endstation Sehnsucht erst richtig beginnen.“ (Werner Krause, „Kleine Zeitung“). „Wer Songwriter sagt, muss auch Nick Drake, Leonard Cohen, Townes van Zandt, Bill Callahan oder Will Oldham sagen. Dass ein im internationalen Business noch unbekannter Grazer sich ohne Wenn und Aber in diese Liste einfügt, ist schlicht sensationell.“ (Fritz Ostermayer, FM4) „Son of the Velvet Rat hat mehr Spannung, Charisma und fesselnde Atmosphäre im kleinen Finger als die meisten Songwriter in der ganzen Hand.“ (Oliver Uschmann, Visions). „Catharthic European Folk“ (Sahar Oz, „Delusions Of Adequacy“). „Altziebler versteht es, Songs zu schreiben, die den amerikanischen Standard übertreffen... Mit Son of the Velvet Rat wird noch einiges passieren.“ (Christian Steinbrinck, „Intro“).

Letzteres nehmen wir wörtlich. Sing weiter, Sohn der Samtratte. Sing. Die Affen lauschen. Unter uns: ergriffen.

(Walter Gröbchen)

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